Auf meinem Weg... vom Loslassen bevor man losgeht - Wolfgangs Kolumne im Dezember

Camino 5

Gedanken zum Jahreswechsel, wenn ein Weg zu Ende geht und ein neuer beginnt.. Seien Sie bereit für das Neue und haben Sie Vertrauen in die Dynamik des Prozesses!

Neue Wege beginnen mit dem Loslassen dessen, was man kennt bzw. was einen belastet oder einengt.. wir packen unseren Rucksack, lesen uns die Wegbeschreibung nochmal durch, sagen unseren Lieben "Tschüss" und sind dann mal weg! Doch halt! Nicht vielleicht etwas Wichtiges vergessen?? Mit welcher Haltung mache ich mich denn auf den Weg? Bin ich gespannt, voller Erwartungen, was ich gerne erleben möchte? Oder eher ängstlich, was da auf mich zukommt:  sind die Leute nett... was, wenn ich kein Bett kriege, nicht schlafen kann oder mich verlaufe? Was, wenn ich mich verletze oder meine Kondition nicht ausreicht? Oder..oder..

Ich nehme vielleicht Fragen mit auf den Weg - z.B. wie geht's weiter mit meinem Leben? Wie soll ich bloß mit der Trennung von meiner Frau, mit dem Tod meines Vaters klar kommen? Was habe ich beruflich für Perspektiven? Wie finde ich zurück zu Gott, zum Glauben? Und ich möchte, dass diese Fragen irgendwie beantwortet werden - ganz dringend und wenn nicht, dann bin ich natürlich enttäuscht...

Die allerwichtigste Voraussetzung (und bitte schön, das alles ist nur meine Meinung aufgrund von Erfahrungen und Erlebnissen) für eine gelungene Pilgerreise, einen Wechsel im Leben oder einen längeren Veränderungsprozess ist:


Wer nicht loslässt, tut sich schwer, neue Erfahrungen zu machen.. wer versucht, im Prozess der Veränderung alles im Griff, alle Risiken unter Kontrolle zu behalten, wird keine wirkliche Veränderung erleben - insofern ist der Jakobsweg eine wunderbare Metapher, da ist es nämlich genauso! Ich habe immer wieder Menschen getroffen, die sich ständig über alles beschwert haben: Essen, Betten, Preise, Weg und Mitpilger... andere waren mehr mit ihrem Equipment (Smartphone, Action-Cam, Solarladegerät, Kopfhörer, GPS etc.) beschäftigt als mit dem Weg oder den Leuten, die einem da ständig begegnen. 

Loslassen hat etwas mit "den Kopf frei kriegen" zu tun, mit Offenheit für Situationen und Erlebnisse, mit Toleranz den anderen gegenüber und mit dem Vertrauen, dass schon alles einen Sinn ergeben wird, auch wenn ich etwas gerade nicht verstehe.

"Wer vertraut kann nicht enttäuscht werden!" 

Ich liebe diesen Satz! Auch, weil er ganz oft heftigen Widerspruch oder lautstarke Ablehnung hervorruft - und auch, weil er schon intensivste Gespräche hervorgezaubert hat, nämlich genau dann, wenn sich alle Beteiligten ernsthaft darauf einließen und es mal nicht ums "Recht haben" ging.

Der Satz klingt erstmal falsch, weil natürlich jede/ jeder schon einmal Enttäuschungen erlebt hat, gerade dann, wenn man jemandem vertraut hat.. das ist ja gerade das Schlimme, das, was uns alle so verletzt oder auch total wütend macht!

Aber was genau steckt da eigentlich drin? Enttäuschung entsteht nur dann, wenn ich - bewusst oder unbewusst - Erwartungen an mein Gegenüber habe oder hatte. Also den ausgeprägten Wunsch, was der andere tun bzw. wie die andere sich in einer bestimmten Situation verhalten möge..

Dies zu kontrollieren liegt aber nicht in unserer Macht bzw. hat mein Gegenüber vielleicht gute Gründe (auch wenn sie mir nicht gefallen mögen!), warum er sich so und nicht anders verhält! Da hilft es auch wenig, wenn ich meine Erwartung klar formuliere und offen ausspreche - auch dann gibt es keinerlei Sicherheit, dass diese Erwartung erfüllt wird.

Ich persönlich glaube, das der Satz oben folgendes meint:

Man kann entweder Vertrauen oder Erwartungen haben, beides zusammen geht nicht - sprich: wer einem anderen wirklich vertraut, vertraut auch darauf, dass dieser sich so verhält, wie es für ihn gerade richtig ist. Wer einem anderen vertraut, darf deshalb keine Erwartungen an denjenigen haben, sonst ist es a) nicht weit her mit dem Vertrauen und b) die Gefahr groß, enttäuscht zu werden.

Beispiel gefällig? Bitte schön: sehr viel habe ich da meiner Tochter zu verdanken - wie vermutlich alle Eltern habe ich mir natürlich Sorgen gemacht, wenn sie nachts mit Freunden unterwegs war. Allerdings habe ich immer darauf vertraut, dass sie sehr genau weiß, was sie tut und ich kein Recht habe, ständig meine Ängste auf sie zu projizieren und ein bestimmtes Verhalten zu erwarten. Und genau deswegen hat es wohl funktioniert, ich hatte keine Erwartungen und bin halt auch nicht enttäuscht worden.

Puh, das ist jetzt aber lang geworden... ich will gerne in der nächste Folge ein wenig über Hilfe und Unterstützung auf dem Weg berichten - auch über das Vertrauen, dass der Prozess sich schon seinen Weg sucht und die Zeichen, die man auf dem Weg/ in der Veränderung erkennen sollte. 

Bitte genießen Sie jetzt die letzten Stunden des Jahres, nehmen Sie sich etwas Zeit, persönlich auf alles zurück zu blicken und spüren Sie in sich hinein, was Sie gerne verändern möchten - die Energie aus der Wintersonnenwende (ja, die Tage werden schon wieder länger!) wird Sie unterstützen..

Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei und einen friedlichen Start ins neue Jahr - bleiben Sie dran!

Wolfgang, 29.12.2017 um 12:23